„Wenn Träume wahr werden“

Wir (alle hier) sind Saabfreunde und haben uns als solche gesucht und gefunden. Das mit dem Suchen kann Jahre dauern, manchmal denkt man schon gar nicht mehr dran, das mit dem Finden kann aber plötzlich auch sehr schnell gehen. Und so war es mit Peter und seiner langersehnten Toppola. Mein Jugendtraum war es, einmal in fremde Länder mit einem LKW zu fahren, wie ich es damals im Fernsehen mit Manfred Krug und Convoi gesehen hatte. Mit 13 hatte ich die Möglichkeit und hab‘ gekniffen. Diesmal kneif ich nicht mehr und mache mich mit Peter auf eine für mich abenteuerliche Erlebnisreise (für Peter Alltag). Früh um 3 Uhr ging es los an der Autobahnausfahrt A9 / Bad Berneck. Es ist keine gute Zeit, wenn man erst um 23 Uhr ins Bett gehen konnte, entsprechend fehlen mir die einen oder anderen Minuten der Reise. Los geht’s! Wir kommen gut voran, haben aber leider immer die Zeit im Nacken. Peter muss noch eine Fracht bei einem Kunden in Polen abladen und wir fahren gegen die Zeit. Das war im Film anders, anders waren auch die LKWs – heute sind sie der wahre Hammer, haben Kraft ohne Ende, eine Auffahr-Notbremsfunktion, sparen Sprit per GPS und HighTech, bequeme Betten, Soundsystem und und und. Es war schön, einmal in eine andere Welt einzutauchen, in die der Logistik und nebenbei Globalität hautnah zu erleben. Z.B. das Ausladen: Firmen, die könnten in Deutschland stehen: Und wie diese doppelt gestapelten Paletten mit einer „Ameise“ gleichzeitig gepackt und weggefahren werden, in einer affenartigen Geschwindigkeit, pure Konzentration und Perfektionismus: es war ein echtes Erlebnis.

Apropos Erlebnis: das sollte nicht das Einzige gewesen sein. Weiter ging es zu Pjotr (= Peter – witzig, was?). Es ist eine ganz andere Welt, es ist wie eine Zeitreise: ein alter 900er mit einem Campingaufsatz, der langersehnten Toppola. Sie ist wie für diesen 900er gemacht; wer weiß, welche Fleckchen Erde Pjotr und seine Frau schon damit bereist haben. Es war eigentlich schade, dieses Saab-Camping-Paar zu trennen, aber mit seinen zwei kleinen Kindern hilft nur noch ein Wohnwagen. Und Pjotr, er ist ein wunderbarer Mensch: so offen, so nett, gastfreundlich, pfiffig und … einfach ein („Saab“-) Freund. Der Plan war: hinfahren, Toppola aufladen, miteinander ratschen und essen und dann weiterfahren. Soweit hat der Plan auch funktioniert, nur das mit der Zeitschiene und dem schnellen Aufladen hat sich anders entwickelt. Im Saab- Prospekt steht: die Toppola wiegt nur 150kg und ist mit vier Personen in 15 Minuten montiert. Es waren wahrscheinlich 15 „polnische“ Minuten (können etwas länger dauern) und das Gewicht war „sehr leicht“ geschönt. Wir waren 4 gestandene Männer und haben ganz schön geblasen. Da wäre ein Snickers gut gewesen, erstens wegen der notwendigen Energie und zweitens wenn es wieder einmal länger dauert. Und von wegen, es gibt kein schlechtes Wetter, sondern nur schlechte Kleidung. Punktgenau zum Aufladen fing es an zu regnen. Es war eine Wahnsinnsaktion, die Toppola auf den Auflieger zu bringen und wenn uns einer gesagt hätte, das wäre nicht das letzte Mal gewesen, hätten wir ihn gesteinigt. Unser „Ladevorgang“ war beendet, die Toppola stand hinten drauf, schnell noch die Heckklappe auf Pjotrs 900er montiert und ab ging’s zum Essen. Wir wurden sehr gastfreundlich empfangen. Ich sage das nicht, weil es so außergewöhnlich ist, sondern für ganz „selbstverständlich“ ist. In Polen befindet man sich fernab der größeren Städte wie auf einer Zeitreise in den 60er Jahren. Die Menschen leben wesentlich einfacher als wir, lassen sich nicht so von vielen Zwängen leiten und konzentrieren sich auf das, was wichtig ist. Basics würde man bei uns sagen, aber in Wirklichkeit ist es oft das, von dem wir uns entfernen. Pjotr machte einen glücklichen und ausgeglichenen Eindruck. Auch daher empfehle ich immer wieder einmal eine Fahrt in einem 900er – zurück zum Ursprung. Pjotr ist ein Universalgenie: er ist Tierarzt, Schrauber, Handwerker, Bastler, Familienvater zugleich und setzt seine Ideen um. Man sieht das an seinem selbst umgebauten kleinen Haus mit einem Simson-Mopped in der Küche stehend (Vorderlampe dient als Leuchte und Rücklicht zeigt an, ob im Obergeschoss das Licht brennt). Es ist einfach der Wahnsinn, kommt Pjotr nicht mit einem Messer aus einer eingeschmolzenen Saab-Steuerkette daher. Ich habe schon immer gedacht, ich habe einen „Knall“, aber man findet irgendwann immer seinen Herr und Meister. Ein Meister, besser gesagt Metzgermeister, ist Pjotrs Vater. Ihm haben wir ein Abendessen zu verdanken, was seinesgleichen sucht mit selbstgemachten Würste (das erinnert mich an die schöne Zeit auf dem Bauernhof meiner Großeltern: alles selbstgemacht – früher ganz normal und heute ein absoluter Luxus. Aber in Polen ganz normal). Es ist irgendwie ein Rausch der Sinne, dabei bin ich ja nur Beifahrer, „Mitesser“ und Mitschläfer: das erste Mal in einer LKW-Koje nächtigen – ein echtes Erlebnis. Besser schlafe ich zuhause auch nicht, nur dass es daheim nicht schon wieder um vier Uhr morgens auf die Piste geht. Bei meiner Morgentoilette wird mir noch einmal klar, dass Peter alles fahren kann, was Räder hat. Er hat seinen 40-Tonner rückwärts in Pjotrs lange Einfahrt eingeparkt, durch 2 Tore hindurch und daneben nur jeweils 15 cm „Luft“. Ich wiederhole mich: der Wahnsinn!

 

 

Aber: weiter geht’s nach Hause über Berlin. Wir müssen noch eine Ladung mitnehmen, das Problem ist nur, dass sie nicht seitlich geladen werden kann. Und plötzlich war auch Peter „geladen“, denn das bedeutet, dass wir die Toppola wieder ausladen, Ladung verladen und Toppola wieder einladen müssen, nur diesmal sind wir zu zweit. Laden, laden, laden! Aber Peter ist mit allen Wassern gewaschen. Wir durften unsere Toppola beim Kunden mit einem Hubwagen, mehreren Europaletten und Menschenkraft in seiner Ladehalle zwischenlagern und nach getaner Arbeit wieder fest in den „Hintern“ des Aufliegers manövrieren. Geht nicht gibt’s nicht! Es hat alles geklappt, wir sind wieder auf der Autobahn, liegen gut in der Zeit und schippern ruhig nach Hause. Eine kleine Rast in einem Truckerimbiss darf nicht natürlich fehlen. Wieder spüre ich das Leben hautnah, die Menschen und den Puls der Zeit. Ein Rausch der Sinne, zwar nicht auf der echten Überholspur, jedoch auf der gedanklichen. Zu schnell ist die Fahrt schon wieder vorüber, erneut an der Autobahnausfahrt A9 / Bad Berneck angelangt. Hier trennen sich unsere Wege. Aber nur für heute, denn Saabfreunde bleiben und halten zusammen!

Die Eindrücke bleiben, ich teile sie mit meiner Familie beim Abendessen und erkenne, das Peter seine langersehnten Traum der Toppola wahr gemacht hat. Gleichzeitig habe auch ich meinen Jugendtraum wahr gemacht, wenn auch in zwei kurze Tage gepackt. Es ist sehr intensiv gewesen, habe ich dabei doch soviel erlebt, das ich im Herzen weitertrage und in den nächsten Tagen erst einmal verarbeiten muss. Wie gesagt, für Peter ist das Alltag, aber für mich war es ein echtes Erlebnis. Ein Erlebnis, für das ich ihm noch einmal herzlich danken möchte: Danke Peter und allzeit gute Fahrt in dem Saab900-Toppola-Campingmobil!

euer Gunther