Eine Reise nach Graz

Auszug aus dem „96, Ausgabe Nr. 4/2005

Ich glaube sagen zu dürfen, es war eine herausragende Saabreise, vielleicht auch aufgrund der überschaubaren Teilnehmerzahl, und ich kann mit etwas Stolz behaupten, die, die nicht dabei waren, haben viel verpasst und müssen sich nun wieder einige Jahre bis zur nächsten Saab-Clubreise gedulden. Es könnte sich diese Reise wiederholen, denn es gibt in Graz und der Steiermark noch viel zu entdecken. Natürlich auch bei Magna Steyr, schließlich werden 250 000 Fahrzeuge produziert, so dass weitere Fahrzeuge eine große Rolle spielen. In dem 1900 durch Johann Puch gegründeten Werk wurden bis 1974 die Steyr Puch 500 produziert, wobei ich spontan an die legendären Auftritte im Tourenwagensport denke. Magna Steyr produziert seit 1979 für Mercedes Benz die M-Klasse, G- Klasse und alle 4-Matic-Modelle der E-Klasse, wobei mir ausschließlich die Montage des Chrysler Voyager bekannt war. Bereits seit 1999 wird der Jeep Grand Cherokee produziert. Nach dem Produktionsbeginn 2003 wird nach dem 9-3 Cabrio seit 2004 für BMW der X3 im Werk Graz montiert.

Es war toll, ein großartiges Erlebnis

Und beim Abschied kam doch richtig Wehmut auf, nicht nur bei Marita und Gauke Bouma aus Drachten in Nord-Holland war dieser etwas schmerzliche Gesichtsausdruck erkennbar, besonders deshalb so auffallend, weil sich die beiden sympathischen Mitreisenden vom Saab-Club Nederland in der zurückliegenden Zeit in der Steiermark als stets gut gelaunte Freunde entpuppten und zum guten Gelingen der Graztour maßgeblichen Anteil hatten.

Für ihre Landleute Lida und Hans van Tartwijk blieb bereits die Anreise mit dem 9-5 in schmerzlicher Erinnerung, denn der Turbolader stellte in der Nähe von Würzburg auf der Autobahn A3 abrupt seinen Dienst ein und das ungenügend kanalisierte Öl beschädigte zu allem Überfluss den Abgaskatalysator unreparierbar. An eine Weiterfahrt zum Etappenziel Deggendorf war nicht zu denken und auch die schnell organisierte Mitreise bei Solofahrer Hans Kurfürst am Sonntag konnte die holländischen Saabfreunde nicht dazu bewegen, den Saab aus den Augen zu lassen. Nach erfolgreicher Reparatur des Saab kehrten sie nach Holland zurück.

Stressfrei und mit besonderer Vorfreude auf das bevorstehende Fahrvergnügen setzten sich am frühen Samstagmorgen des 10. September Kitty und Hans-Peter Vratz im 9-3 Cabrio und wir im kosmosblauen 9-3 in Bewegung, wobei wir einen Abstecher in die Domstadt unternahmen, um Rolf Sauer als „dritten Mann“ aufzunehmen. Die Autobahn war wenig bevölkert und mit einem auf 120 km/h eingestellten Tempomat erfreuten wir uns einer schönen und äußerst bequemen Reise im Saab. Erst kurz vor Erlangen ereilte uns eine Staumeldung, die wir aber über die A73 umgehen konnten. Am frühen Nachmittag erreichten wir unsere gebuchte Unterkunft in Seebach bei Deggendorf, wo bereits die Cabriofahrer auf uns warteten. Den größten Teil unserer Anreise hatten wir damit erledigt, und im Gästehaus des Landgasthofes Zwickl verschliefen wir nach Spanferkelbraten und anderer deftiger, niederbayerischer Kost den Lauf des zunehmenden Mondes bei absoluter Stille am Rande eines Maisfeldes.

Am Sonntagmorgen nahmen wir die nächste Etappe in Angriff und wurden beim eingeplanten Tankstop, kurz nach dem Grenzübertritt bei Schärding, durch das plötzliche Erscheinen von Irmgard und Karl Wöhr überrascht, die ihre Fahrt von Neuburg/Donau auf unseren Fahrtvorschlag abgestimmt hatten. Auch Hans meldete telefonisch sein flottes Fortkommen, leider ohne Lida und Hans. So konnten wir in aller Ruhe die letzten 200 Km bis Frohnleiten im Dreierpack zurücklegen. Beim Zwischenstop in Wald am Schoberpass konnten wir uns bereits vom hervorragenden Zustand des 8 Jahre alten 9000 CSE Anniversary und von Karls akribischer Pflegearbeit überzeugen. Übrigens: Swizöl ist auch ihm ein Begriff!

Die beim ADAC gebuchten Tunneldurchfahrten als Videomaut funktionierten ganz hervorragend und wir erlebten voller Vergnügen das Erscheinen von „Berechtigt“ auf der Anzeigetafel. Im geplanten Zeitfenster erreichten wir Frohnleiten und unser Hotel Frohnleitnerhof (www.frohnleitnerhof.at). Großzügig geschnittene Zimmer mit Balkon und Mur-Blick erwarteten uns, Marita und Gauke waren bereits angekommen und auch Hans ließ nicht mehr lange auf sich warten. Vom wunderschön gestalteten Hauptplatz in Frohnleiten konnten wir uns bereits überzeugen und auch der hervorragend angelegte Volksgarten zeugte von regen Gemeindeaktivitäten. Am Abend machten sich Rolf und ich dann auf den Weg zum Flughafen Graz, wo wir Erich Schmidt in Empfang nehmen konnten. Rolf entwarf spontan das obligatorische „Empfangsschild“ mit der Aufschrift „Saab- Freunde Erftkreis“ für unseren Mitfahrer.

Am Montag starteten wir vom Bahnhof Frohnleiten in Richtung Graz. Um 11.00 Uhr begann pünktlich die Altstadtführung. Nach einigen Metern Gassen, über einige Hinterhöfe erreichten wir schnellen Schrittes den Färberplatz, wo just das Glockenspiel erklang, das täglich drei Mal zu hören ist. Nach dieser netten Einlage begann unser historisches „Bildungsprogramm“ über die Altstadt, bei dem wir nicht nur den Dom und Burgreste sahen, sondern eine Menge historischer Gebäude,

Innenhöfe und Plätze. Wir lernten eine lebendige, pulsierende und lebenslustige Stadt kennen, die bei dem schönen Wetter scheinbar jede Aktivität ins Freie verlegte. Überall und auf jedem größeren freien Fleck fanden wir Tische und Stühle und die allerorts üblichen Biergartengarnituren zur gastlichen Einkehr, die auch wir oftmals an allen Tagen in Anspruch nahmen und genießen konnten. Wir lernten das Franziskaner Viertel und das Bermuda-Dreieck kennen. Nach der mehrstündigen Altstadtrunde trug uns die Schlossbergbahn bergauf auf eine Höhe von 473 m mit einer Steigung von 61 %. Der Uhrturm, das traditionelle Wahrzeichen der Stadt, und die herrliche Aussicht auf die rötlichen Ziegeldächer der Altstadt, waren unser erklärtes Ziel. Der weite Blick trug uns auch zur „blauen Blase“, einem künstlerisch und architektonisch äußerst kühnen Gebäude mit einer bläulich gefärbten Außenhaut. Es beinhaltet als Kunsthaus Wechselausstellung zeitgenössischer Kunst. In der Ferne konnten wir das Flugfeld des südlich der Stadt gelegenen Flughafens erblicken oder mehr erahnen und das Fabrikareal der Magna Steyr. Auch am nächsten Tag hielten wir uns in der Stadt auf und erkundeten in Eigenregie die offenen und versteckten Schönheiten der Stadt und „erlaubten“ den Damen auch einen Blick hinter die Einkaufsfassaden.

Der Mittwoch stand ganz im Zeichen von Magna Steyr und Saab – der ursächliche Grund unserer Fahrt. Pünktlich zur Mittagszeit erreichten wir den ausgedehnten Fabrikkomplex, der über 9000 Menschen Arbeit gibt. Fast drei Stunden durften wir in der Cabrio- Montagehalle verbringen und sahen die aufwendige Herstellung der aus vielzähligen Teilen bestehenden Plattform und der Karosserie. Ständige 100-Prozent-Kontrollen stellen die Qualität sicher und der daraus entstandene Verarbeitungsstand wurde nicht ohne Stolz besonders ausgedrückt. Nach der Lackierung sahen wir die Cabrios wieder auf der Montagestraße, wo die ersten Kabelstränge, Steuergeräte und Bremsleitungen von einer hübschen, jungen Dame verlegt wurden. Auch die Montage des Überrollschutzes konnten wir hautnah miterleben, wobei wir grundsätzlich unsere Überraschung über eine derartigen Nähe zum Objekt ausdrücken möchten. Es war ein großes Erlebnis, das uns über das knurrende Magengeräusch hinweg tröstete. Leider musste Fritz Glöckner vom Saab- Club Österreich kurzfristig abreisen. So machten wir uns auf den Weg zum Flugplatz Graz. Wir beruhigten den Magen und Erich konnte bereits für die 19.00 Uhr- Maschine einchecken und das Gepäck abgeben. Bis zu seinem Abflug überbrückten wir die Zeit mit dem am Dienstag organisierten Besuch des „Österreichischen Luftfahrtmuseums“ (s. auch S.9) Auch dort wurden wir überraschenderweise mit Saab- Gerätschaften konfrontiert – mit vier Saab- Flugzeugen der schwedischen Luftwaffe als Dauerleihgaben und einer „Tonne“ des Flugclubs. Fluglehrer und Ex-Luftwaffenpilot Wagner führte uns auf humorvoller Weise in die Historie der Luftfahrt ein. Für Karl Wöhr, pensionierter Hubschrauber-Techniker, gab es ein Wiedersehen mit vergangenen Arbeitsgeräten, u.a. einer Augusta Bell AB-204B. Den meisten Teilnehmer war erstmalig der Blick auf die Saab Draken und Viggen möglich. Den nächsten Tag widmeten wir der „Südsteirischen Weinstraße“. Da wir erst gegen 15.00 Uhr einen Termin in der Kernmühle Heimschuh hatten, konnten wir den Vormittag in Eigeninitiative Nutzen und statteten der Burg Deutsch-Landsberg einen Besuch ab. Die installierte Ausstellung zeigte archäologische Exponate aus örtlichen Ausgrabungen, u.a. auch eine unüberschaubare Menge keltischer Grabbeigaben und Schmuckgegenständen. Anschließend bekochte uns mit Karl Christian Kollmann einer der besten Köche der österreichischen Küche, nachdem die Schwäbin Jasmin Vollmer endlich den Tisch eindecken konnte, den wir nach mehrmaligem Wechsel ausgiebigst nach Zugluft ausgetestet hatten. Unser einhelliger Kommentar zur Küche: Sehr, sehr lecker. Logisch, sein Werdegang u.a. über die Stromburg, spricht für sich. Jedenfalls fanden wir Burg Deutsch-Landsberg (www.burghotel-dl.at) derart faszinierend, dass die Familie Volk beim nächstjährigen Steiermarkurlaub auch hier einige Tage einplanen will. Trotz eines ungewollten Ausfluges in die falsche Richtung konnten wir in der Zeit die Ölkernmühle erreichen. Die Produktion des „schwarzen Goldes“ der Steiermark wurde uns vom Seniorchef anschaulich und mit markigen Worten präsentiert.                   Er machte uns mit allen gesundheitlichen Vorzügen des Kürbiskernöls bekannt. Entsprechend bepackt verließen unsere Ehehälften den angeschlossenen Mühlenladen.

Nun führte die Fahrt über die Weinstraße, die uns atemberaubende Ausblicke bescherte, trotz der an sich geringen Höhe der befahrenen Hügel bzw. Berge. Eine Gradwanderung der besonderen Art, auch durch die straßenmittige Landesgrenze zwischen Österreich und Slowenien auf einer Länge von ca. 2 Kilometern. Um 18.00 Uhr trafen wir zur bestellten Brettljause in der Buschenschank Lorenz in Kitzeck ein. Dabei nahmen wir eine Abkürzung über den Kreuzberg (Höhe 633 m) über „fast nicht vorhandene“ Straßen, eine navigatorische Spitzenleistung von Hans Kurfürst und Rolf Sauer. Wir erkennen hiermit die „schulischen“ Ergebnisse unserer Troll-Rallye-Bemühungen. Richtig zünftig im Weingarten, Biergarten wäre eine unpassende Bezeichnung, mit uralten Rebstöcken wurden uns liebevoll hergerichtete Jausn-Teller serviert, belegt mit den leckersten Wurstwaren: Blut- und Leberwurst, luftgetrocknete Mettwurst, Schinken und andere Ergebnisse einer so genannten Hausschlachtung. Natürlich gab es auch einen entsprechend leckeren und passenden „Weißen“ dazu, dem die Fahrer nicht allzu heftig zusprechen konnten. Leider.

Dem letzten Tag unserer Reise genehmigten wir einen nochmaligen Besuch in Graz. Schwerpunkt sollte das moderne Graz sein, Kunsthaus und Murinsel. Auch modere Architektur kann sehenswert sein, so auch diese beiden Gebäude. Das Kunsthaus, „blaue Blase“ im Volksmund getauft, wurde von den amerikanischen Architekten Peter Cook und Colin Fournier auf den Grundmauern des 150 Jahre alten „Eisernen Haus“ errichtet. Die blaue Kunststofffassade ist auf der Ostseite mit 900 Leuchtstofflampen bestückt, die als riesiger Bildschirm Texte oder Bilder nach Außen kommunizieren können. Das „Friendly Alien“ hebt sich eindeutig von der Altstadt mit seinen roten Ziegeldächern ab, wie ein Wesen aus ein anderen Welt. Aber es entwickelt ein besonderes Spannungsfeld zur zeitgenössischen Kunst und verbindet sich vorzüglich zur lebendigen und vitalen Stadt Graz. Ebenso das neue Wahrzeichen der Stadt, die zur Ernennung zur Kulturhauptstadt 2003 errichtete Murinsel. Nach dem Entwurf des Amerikaners Vito Acconi entstand die schwimmende Muschel, die mit beiden Murufern verbunden ist. Das Café testeten wir gerne und genossen die schöne Rundumsicht. Am Abend konnten wir erneut gemeinschaftlich die üppige und reichhaltige Küche in einem urigen Gasthof bei Frohnleiten genießen. Mit viel Freude, guter Laune und einem schelmischen Grinsen in den Augen sorgten zudem Marita und Gauke für einen fröhlichen Abschluss des Abends, provozierten sie doch ein Freischnapserl bei der Küchenchefin und Wirtin der Dorfschänke für Karls Lokal-Auswahl. Auch Hans Kurfürst sorgte im Auftrag der Eltern, die wegen einer Erkrankung kurzfristig absagen mussten, für eine Magenberuhigung mit einer Lage Obstler. Der halbstündige Fußweg zurück sorgte für Verdauung und eine ordentliche Nachtruhe – ein besonderer Abschluss für eine besonders schöne und gelungene Saabfahrt

Unser Fazit lässt sich nicht in wenige Worte fassen, aber ich will es hiermit versuchen: Frohnleiten, Graz, und die Steiermark etc. wären in wenigen Jahren eine weitere Reise wert, auch ein weiterer Werksbesuch bei Magna Steyr. Leider blieb uns keine „ruhige“ Minute für Entwicklungsdetails, Zulieferung, Abgrenzung oder Logistik zu erfragen. Der Spickzettel blieb verschlossen. Aber vielleicht war es gut so, die Saabfreunde wären wieder die „Letzten“ gewesen, die das Werk verlassen hätten, trotz dreischichtiger Produktion.

Die erneute Planung einer Graz-Reise kann bekannterweise entfallen, da Saab die Cabrio-Produktion 2009 nach Trollhättan verlagerte.

Im Zusammenhang mit unserer Reise haben wir uns vielfach zu bedanken, bei Frau Barbara Braunstein von der Graz Tourismus GmbH und Frau Christine Beck, Saab Deutschland GmbH für die Hilfe und Unterstützung. Besonders dankbar sind wir den

jungen Damen des Frohnleitnerhofs, die uns in der Vorbereitung und während des Aufenthalts sehr freundlich und hilfsbereit zur Seite standen, insbesondere bei Frau Sonja Hofbauer, Frau Andrea Thalhamer und Frau Silvie Maierhofer. Auch den Frohnleitnerhof werden die „Volks“ im Herbst 2006 erneut bereisen – das sagt doch alles

williweb